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Donnerstag, 30.06.2022 | 20.03 Uhr

Deutschlandfunk-Kultur

Programm

Frédéric Chopin
Nocturne As-Dur op. 32 Nr. 2, bearbeitet für Orchester von Igor Strawinsky

Pjotr I. Tschaikowsky
Violinkonzert D-Dur

Igor Strawinsky
›Petruschka‹ – vollständige Ballettmusik (Fassung 1947)

Mitwirkende

David Robertson Dirigent

  • Gil Shaham Violine

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

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Der Sprung in die Moderne

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Eine ätzende, ja schon diffamierende Kritik lässt der für seine extrem zugespitzten, polemischen Urteile berühmt-berüchtigte Kritiker Eduard Hanslick auf das Violinkonzert von Pjotr Tschaikowsky niedergehen. Nach der Uraufführung im Wiener Musikverein 1881 kommt Hanslick zum bizarren Fazit, dies sei Musik, die »man stinken hört«. Vor allem am Finalsatz mit seinen temperamentvollen, von Folklore geprägten Themen lässt der Kritiker kein gutes Haar: Er attestiert »die brutale, traurige Lustigkeit eines russischen Kirchweihfestes «, meint darin »lauter wüste und gemeine Gesichter« zu erkennen und »rohe Flüche« herauszuhören, man rieche den »Fusel« in dieser Musik, so Hanslick. Dieser Verriss konnte Tschaikowskys Violinkonzert jedoch nichts anhaben, es wurde bald international erfolgreich aufgeführt. Bis heute ist es einer der beliebtesten Gattungsbeiträge, gerade wegen seiner ansprechenden, plastischen Melodien, seines intensiven Gefühlsgehalts und seiner packenden rhythmischen Energie. In der Einbeziehung von musikalischen Idiomen, die damals nicht an Akademien gelehrt wurden, nimmt das Violinkonzert in Ansätzen sogar bereits eine moderne Musikauffassung vorweg, nämlich das Bestreben, mit Musik nicht bloß das Hehre und Schöne, sondern alle Empfindungen und alle Bereiche des Lebens zum Klingen zu bringen.

Innovationen im Repertoire
Als 1911, drei Jahrzehnte später, Igor Strawinskys Ballettmusik ›Petruschka‹ in Paris uraufgeführt wurde, nahmen dort sowohl die Kritik als auch das Publikum gerade die Folkloreelemente als reizvolle Farbe mit offenen Armen und Ohren auf. In Paris war man neugierig auf Unbekanntes. Folkloristisch geprägte Musik aus dem Zarenreich, die in Westeuropa nur selten zu hören war, wurde als origineller Exotismus aufgefasst und als Innovation im Repertoire begrüßt – wie vorher schon andalusischer Flamenco und Gamelan aus Java, Musiktraditionen, die man in Paris bereits während der Weltausstellungen 1889 und 1900 präsentiert hatte. Doch Strawinsky bringt in ›Petruschka‹ nicht bloß Volksmusikalisches, sondern auch Anklänge an Gassenhauer, Chansons, derbe Walzer, Zirkusmusik sowie Drehorgelweisen und mischt dies alles zu einem prallen, farbgesättigten Tongemälde. Diese Gleichwertigkeit unterschiedlicher musikalischer Idiome, die mitunter wie bei einer Collage zusammengefügt werden, macht die Modernität von ›Petruschka‹ aus.

Schlüsselwerke der Moderne
Die Uraufführung des Balletts über Puppentheaterfiguren auf einem Jahrmarkt war ein früher Meilenstein der Ballets russes. Deren Leiter Sergei Diaghilew brachte seit 1907 regelmäßig Opern- und Ballettgastspiele mit Kräften aus Russland nach Paris. Mit den Ballets russes gründete er eine eigens für die jährlich stattfindende Pariser »saison russe« zusammengestellte neue Compagnie. Für eine frühe Ballettproduktion mit dem Titel ›Les Sylphides‹ kam Diaghilew schon 1909 auf Strawinsky zu. Deren Musik besteht aus Orchesterarrangements von Klavierstücken Frédéric Chopins. Mit seiner Bearbeitung von Chopins Nocturne As-Dur op. 32 Nr. 2 gab Strawinsky seine Visitenkarte für eine ganze Reihe zukünftiger Projekte mit Diaghilew ab, die zu Schlüsselwerken der Moderne für Ballett und Musiktheater werden sollten: Von ›L’oiseau de feu‹ über ›Petruschka‹, ›Le sacre du printemps‹ und ›Le rossignol‹ bis zu ›Pulcinella‹, ›Renard‹, ›Les noces‹ und ›Oedipus Rex‹.

Der Dirigent dieses DSO-Konzerts zum Saisonausklang, David Robertson, hat im Laufe seiner Karriere neben dem Kernrepertoire der Konzertliteratur auch eine Menge Erfahrung mit zeitgenössischer Musik gesammelt und zahlreiche Werke uraufgeführt. Diese Perspektive dürfte für die modernen Aspekte bei Tschaikowsky und Strawinsky auf jeden Fall förderlich sein. Und bei Stargeiger Gil Shaham sind sowohl die spieltechnischen Herausforderungen als auch die direkte Sinnlichkeit in Tschaikowskys Violinkonzert in besten Händen.

ECKHARD WEBER

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