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›IM KAMPF MIT DEM TEUFEL‹ – Filmpremiere am 12.3. im DSO PLAYER

Regisseur Frederic Wake-Walker und Visual Artist Ergo Phizmiz erwecken mit Robin Ticciati und dem DSO Kurzopern von Hindemith und Martinů zu expressionistischem Leben

Am Freitag, den 12. März um 20.30 Uhr erlebt ein neuer Musikfilm des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (DSO) seine Premiere. Unter dem Titel ›IM KAMPF MIT DEM TEUFEL‹ erwecken der Regisseur Frederic Wake-Walker und Visual Artist Ergo Phizmiz die Operneinakter ›Sancta Susanna‹ von Paul Hindemith und ›Slzy Nože‹ (Die Tränen des Messers) von Bohuslav Martinů sowie das zeitgenössische Orchesterwerk ›Sinuous Voices‹ von Ondřej Adámek zu expressionistischem Leben. Durch beziehungsreiche Collagen und Animationen in Kombination mit sowohl im Green Screen Studio als auch im Kleinen Sendesaal des rbb im Februar gedrehten Aufnahmen wird eine assoziative Bildwelt eröffnet, die von den 1920er-Jahren inspiriert ist und Musik wie Inhalt kongenial vor Augen führt. Die Premiere des in Koproduktion mit EuroArts und in Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur realisierten Films findet im DSO PLAYER unter dso-player.de statt, wo er für 30 Tage als Video-on-Demand kostenlos zum Nachsehen abrufbar bleibt.

Den Auftakt des Films ›IM KAMPF MIT DEM TEUFEL‹ bildet der sich zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit bewegende, schillernde Einakter ›Sancta Susanna‹ Paul Hindemiths. Provokant inszeniert die in einem Nonnenkloster spielende Kurzoper die Grenzen zwischen erotischer und religiöser Ekstase. Das satanisch-sündige Begehren der Hauptfigur konzentriert sich auf niemand anderen als den Heiland am Kreuz. Für die Illustration erzeugt Ergo Phizmiz unter anderem durch Versatzstücke christlicher Ikonographie und anhand von Fotografien feministischer Hysterieforschung des frühen 20. Jahrhunderts eine surrealistisch geprägte, »konvulsivisch schöne« Erotik.

In Bohuslav Martinůs ›Die Tränen des Messers‹, der erst nach dem Tod des tschechischen Komponisten 1969 uraufgeführten surrealen Komödie, spielen erotisches Begehren und der Satan eine bedeutsame Rolle, wenn sich ein junges Mädchen in einen Erhängten verliebt und bei den Versuchen, ihn für sich zu gewinnen, immer wieder in den Armen des Satans landet. Mit der hochkarätigen Solistinnenriege wurden für diesen Teil des Films Aufnahmen unter der Regie von Frederic Wake-Walker in einem Green Screen Studio aufgenommen, die von Ergo Phizmiz in die Collage eingefügt wurden.

Ein instrumentales Scharnier zwischen den provokanten Musiktheaterstücken der 1920er-Jahre bildet das Orchesterwerk ›Sinuous Voices‹ von Ondřej Adámek. Der in Berlin lebende tschechische Komponist übersetzt darin seine persönlich-prägenden Erfahrungen mit Gesang und Stimmen in instrumentale Klänge. Er stellt der Welt der intimen Stimme, etwa im Gebet, eine extravertierte Welt gegenüber, etwa bei einer Demonstration, bei der eine Menschenmenge Parolen skandierend außer Kontrolle gerät.

Während für die filmische Umsetzung von Hindemiths ›Sancta Susanna‹ auf einen Mitschnitt von Deutschlandfunk Kultur vom April 2012 zurückgegriffen wurde, der mit dem DSO unter Hans Graf und in den Hauptpartien mit Sopranistin Melanie Diener (Susanna), Mezzosopranistin Lioba Braun (Klementia) und Altistin Ewa Wolak (Alte Nonne) in der Berliner Philharmonie entstanden ist, haben das Orchester und Chefdirigent Robin Ticciati Martinůs ›Tränen des Messers‹ und Adámeks ›Sinuous Voices‹ am 19. und 20. Februar 2021 im Kleinen Sendesaal des rbb mit EuroArts und ebenfalls Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet. Als Solistinnen in Martinůs Kurzoper sind Sopranistin Kateřina Kněžíková (Eleonora), Mezzosopranistin Markéta Cukrová (Mutter) sowie Bassbaritonistin Lucia Lucas (Satan) zu erleben.

 

Robin Ticciati – DSO-Chefdirigent: 

»Die Covid-19-Pandemie hat uns alle unausweichlich schockiert. Die natürliche menschliche Reaktion auf Alltagssituationen und unsere phatische Kommunikation haben sich schlagartig verändert – vielleicht für immer. Dies ist sicherlich der Grund, warum Martinůs Komposition und seine surrealistische Welt in ›Die Tränen des Messers‹ für mich mit dem DSO immer faszinierender – und wesentlich spielerischer – wurden. Die Kurzoper gibt Einblicke in menschliche Wahrheiten, aber größtenteils ist sie ein einziger Aufruhr der post-dadaistischen Verwerfungen von Vernunft und Logik. Indem wir sie mit der sexuellen Raserei von Hindemith und den verschlungenen Klängen von Adámek kombinieren, haben wir ein animiertes Triptychon für unseren DSO PLAYER geschaffen: einen Kampf mit dem Teufel, der leicht als ein Kampf mit uns selbst in dieser surrealen Zeit gedeutet werden könnte. Hindemith sprach davon, dass die ›alte Welt explodiert‹ und dass sie durch die Kunst erneuert und wiederhergestellt werden müsse ... Welchen besseren Moment als jetzt gibt es, um mit einem ausgeprägten Sinn für Erneuerung nach vorne zu schauen?«

Frederic Wake-Walker – Regisseur:

»Unser neuer Film ›IM KAMPF MIT DEM TEUEFEL‹ ist ganz anders als die vorherigen. Während die Filmtrilogie ›IM EXIL – VON GÖTTERN UND MENSCHEN‹ stark auf die Drehorte als eine philosophische Reflexion über die Leere und den Verlust von Idealen in der aktuellen Situation abgestimmt war, spielt ›IM KAMPF MIT DEM TEUEFEL‹ in einem eher virtuellen Raum. Der Film ist als ein wesentlich dringender, politischerer Akt zu verstehen – er hinterfragt die extreme Moral und unbeständigen Institutionen unserer Zeit und sucht nach einem Sinn inmitten des Chaos unter der Oberfläche. Keiner dieser Filme ist ein Ersatz für Live-Auftritte – aber sie bieten uns eine Herausforderung, auf neue Weise kreativ zu sein und über andere Möglichkeiten nachzudenken, wie man mit dem Publikum in Kontakt treten kann. Die Live-Auftritte des Orchesters kommen wieder. Doch ich bin mir sicher, dass sie durch die Erfahrungen bereichert sein werden, die wir alle bei der Produktion dieser Filme für den DSO PLAYER gewonnen haben. In dieser Zeit der Krise und Isolation müssen wir das Feuer der Musik am Leuchten halten.«

Ergo Phizmiz – Collage, Animation und Design:

»In ›Sancta Susanna‹ habe ich statt einer narrativen, eine mentale, emotionale Darstellung der Charaktere und Atmosphäre gesucht, die in Hindemiths Komposition angelegt ist. Bei ›Sinuous Voices‹ hingegen erzeuge ich durch die Verzerrung der Bildaufnahmen vom Orchester einen visuellen Sog, der mit der komplexen Musik einhergeht, ohne sie zu stören. In ›Die Tränen des Messers‹ strebe ich schließlich einen ›militanten Surrealismus‹ an, der durch Zufall und Autosuggestion dem Bildfluss erlaubt, neben Text und Musik zu strömen und dabei Verbindungslinien schafft zu Comte de Lautréamonts Zitat von dem

›zufälligen Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch‹, das Breton und die Surrealisten der 1920er-Jahre inspirierte. Ausgehend von dieser Idee und aufgrund der Berührungspunkte der Charaktere mit Tarotkarten war es naheliegend, das gesamte Stück im Rahmen einer von Lautréamont geleiteten Tarot-Lesung spielen zu lassen. Frederic Wake-Walker und ich haben die Elemente der Sängerinnen, des Orchesters, des Dirigenten sowie der Projektionen in ein visuelles Ganzes integriert, das kein Film, kein Konzert und keine konventionelle dramatische Präsentation einer Oper ist, sondern etwas Intersektionales, das dazwischen liegt ­­– und dabei hoffentlich etwas Spannungsvoll-Neues schafft.«

 

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