Zum Gedenken an Eberhard Wangemann (1920–2024)

Foto: Jörg Brüggemann / Ostkreuz

Niemand hat sich wohl so lang und so intensiv für das heutige DSO engagiert wie Eberhard Wangemann. Sein Leben für die Musik war in jeder Hinsicht vorbildlich und außergewöhnlich. Mit seiner Entschei­dung, im Oktober 1955 von den Berliner Philharmonikern zum damaligen RIAS-Symphonie-Orchester zu wechseln, bewies er Mut, denn dessen Existenz war alles andere als gesichert. Aber ihm »gefiel Fricsays Art des Musizierens besser als die von Furtwängler, Karajan oder Celibi­dache. Fricsay hat seine Musiker nie als Untergebene angesehen, er war immer bereit, eine Interpretation organisch wachsen zu lassen.«

Er blieb nicht nur bei dem Orchester, das, in Radio-Symphonie-Orchester Berlin umbenannt, 1956 eine neue Existenzgrundlage erhielt; er übernahm auch Verantwortung. 1962 wurde er in den Orchestervorstand gewählt; das Gremium war damals in Zukunftsfragen eine entscheidende und beim RSO durchaus kämpferische Größe. Wangemann wurde Vorsitzender. Er war beteiligt, als der Vertrag ausgearbeitet wurde, der dem Orchester durch die Kooperation von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und öffentlicher Hand das Fortbestehen sicherte. Damals wurde das Modell entwickelt, das heute noch den Bestand der vier Ensembles in der Rundfunk Orchester und Chöre gGmbH (ROC) gewährleistet. Als Vertreter des Orchesters gehörte er von 1977 bis zu seiner Pensionierung dem Kuratorium an, in dem die Geschicke des Klangkörpers beraten und entschieden wurden.

Eine wichtige Bewährungsprobe bestand der Vorstand um Eberhard Wangemann nach dem Abschied von Lorin Maazel als Chefdirigent des RSO. Lange konnte kein Nachfolger gefunden werden. In den heiklen Jahren des Interims riet Wangemann von überstürzten Entscheidungen ab: Wichtig sei es, eine Person zu finden, die zum Orchester passe und es deshalb auch weiterbringen könne und wolle. Entscheidend bleibe die künstlerische Qualität. »Große Dirigenten fangen da an, mit dem Orchester zu arbeiten, wo andere aufhören.« Wangemann und seinem Vorstandskollegium ist es wesentlich zu danken, dass man damals auf die Energie und Ideen junger, herausragender Talente setzte: Der 29-Jährige Riccardo Chailly erwies sich auf der Position des Chefdirigenten ebenso als Glücksgriff wie kurz zuvor der damals 32-jährige Peter Ruzicka als Intendant.

1984 wurde Eberhard Wangemann für sein künstlerisch engagiertes und erfolgreiches Wirken das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Nach der Saison 1984/1985 wurde er pensioniert und zum Ehrenmitglied des RSO ernannt. Dem Orchester blieb er weiterhin verbunden. Mit seinem enormen Wissen, seiner Erfahrung und seinem präzisen Gedächtnis war er ein idealer Chronist; an entscheidenden Wendepunkten äußerte er sich zur Geschichte des Orchesters, nicht nostalgisch, sondern immer auf die Gegenwart und auf die Zukunftspotenziale des Klangkörpers gerichtet. Dabei nahm er es so genau wie beim Musizieren. Schlechte Recherchen und Nachlässigkeit waren ihm immer ein Ärgernis. Er riet und beriet, wann immer er darum gebeten wurde. Regelmäßig nahm er, wann immer es ihm möglich war, an den Konzerten des DSO teil, in Block A, Reihe 12, auf Augenhöhe mit »seinem« Orchester. Im Januar 2020 konnte das Orchester seinem Ehrenmitglied zum 100. Geburtstag gratulieren.

Am 17. August ist Eberhard Wangemann gestorben – nach einem langen, bedeu­tungs­vollen und erfüllten Leben. Wir nehmen Abschied von einem vorbildlichen Menschen und Musiker, der Unschätzbares für das DSO geleistet hat.

Berlin, 22. August 2024